Anne Trieba und die Tageskarten

Anne Trieba: Die Tageskarten-Frau lebt | Interview

Über meinen Schreibtisch hängt eine Karte: ein dünner goldgelber Strich führt nach oben, ein Seil an dem eine kleine Frau im roten Kleid empor hangelt. Die Haare erinnern an Spaghetti. Eng klammert sie sich an das Seil. „Nach Tagen grauen Himmels kam ein einziger Sonnenstrahl." steht darunter. Die Signatur: Anne Trieba.

Die Malerin und Zeichnerin Anne Trieba lebt in München. Mit den Tageskarten, die die Erlebnisse der Frau im roten Kleid beschreiben, hat sie sich im Laufe der Jahre eine echte Fanbase erarbeitet. Aber sie kann weit mehr. Portraits und Momentaufnahmen auf Leinwand und Rupfen zeugen von Talent, Sensibilität und Leidenschaft. Ich habe Anne bei einem Besuch in Hamburg getroffen und ihr einige Fragen gestellt.

Comic von Anne Trieba

Liebe Anne, stell dich bitte kurz vor: Woher kommst du, was machst du?

Ich bin im Rheinland geboren und habe viele Stationen hinter mir. Nach einer Kindheit in Schleswig-Holstein, habe ich in Berlin studiert. Dann bin ich mit meiner Familie, meinem Mann und zwei Kindern für sechs Jahre in die Uckermark gegangen. Wir haben ein Haus gebaut und sind dann aus beruflichen Gründen nach München umgezogen.

Künstlerin Anne Trieba
Künstlerin Anne Trieba

Das Zeichnen war immer da

Wie bist du zum Malen gekommen?

Ich habe mit drei angefangen zu zeichnen und habe dann eigentlich nie mehr aufgehört. Ich denke nicht nach über das Zeichnen. Es ist einfach so gekommen. Es war immer mein Hobby und dann habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht.

Was kannst du uns zu deinem Malstil und über deine Maltechniken erzählen?

Es gibt verschiedene Bereiche in denen ich arbeite. Einmal ist es die Illustration, da arbeite ich sehr mit der Linie und fülle nur die Flächen mit Farbe aus. Das ist eher im Comicstil und dazu schreibe ich oft meine eigenen Texte.

Mein anderes Standbein ist die Portraitmalerei. Da arbeite ich ganz anders als in der Zeichnung. Hier interessiert mich die Darstellung von Haut. Da gehe mit dem kleinsten Pinsel in jede Pore hinein. Am Ende sind im Bild aber nur wenige Flächen plastisch gestaltet. Die Haut am intensivsten und einige Objekte, die ich mir innerhalb des Bildes aussuche.  Es ist immer eine Spannung zwischen flächiger und räumlicher Gestaltung. Das macht die Spannung am Ende auch aus.

Das Auto bestimmt das Format

Welche Formate bevorzugst du?

Als wir in der Uckermark gewohnt haben, hatte ich ein eigenes Atelier. Da konnte ich sehr großformatig arbeiten, wobei ich nie über zwei Meter hinaus gegangen bin. Mein größtes Bild ist ca. 1,20 m x 1,90 m aus einem einfachen Grund: das Format passte in unser Auto. Vorher in Berlin habe ich immer kleinformatig gearbeitet. Nachdem ich den Platz hatte, wollte ich das Kleinformat auch mal sprengen.

In München leben wir in einer Wohnung und dort kann ich wieder nicht mehr so großformatig arbeiten. Ich habe kein eigenes Atelier, sondern eine Staffelei in meinem Zimmer.

Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass die Berührungsangst ein Bild zu kaufen, geringer wird, je kleiner das Bild ist und dass man dann den Preis attraktiver machen kann. Es gibt kaum Leute, die sagen, der Preis spielt keine Rolle. Die ein Bild einfach haben wollen, egal welches Format. So begann ich Bilder zu machen, die aus vielen kleinen Formaten bestehen. Ich male also zehn Bilder, statt eins.

Leute, die unbedingt ein Bild möchten

Meine Portrait-Auftraggeber sind oft Leute, die nicht so viel verdienen, aber unbedingt ein Bild haben möchten. Da arbeite ich oft im Format 50 x 40 cm. Das ist überschaubar und da kann ich unter 1000 € bleiben. Beim Format 50 x 70 cm  geht der Sprung über die 1000 €, aber das bespreche ich mit den Leuten. Es ist auch abhängig davon, wieviele Personen im Bild dargestellt sind. Wenn ich eine Familie male, dann ist der Aufwand größer.

Anne Trieba zeichnet Tageskarten
Anne Trieba zeichnet Tageskarten

Du malst viele Portraits. Erzähl doch mal, wie die Leute zu dir kommen. Was es für Portraits sind, ob du von Fotos abmalst oder die Leute dafür bei dir sitzen müssen.

Ich würde die Leute natürlich gern wie Lucian Freud 1:1 portraitieren, aber mir haben dazu Raum und Rahmen gefehlt. Meine Kinder sind jetzt 12 und 16 Jahre. Nebenher arbeite ich in einer Schule. Ich habe keinen geeigneten Raum, in den ich die Leute bitten könnte. Das strebe ich an. Ich will es sehr gern irgendwann ausprobieren.

Anfang zur Jahrtausendwende

Wenn ich unterwegs bin, skizziere ich die Leute auch 1:1, allerdings nur mit dem Bleistift und auf Papier. Ansonsten portraitiere ich nach Fotos. Die Auftraggeber finden mich im Internet. Es hat um die Jahrtausendwende angefangen. Ich begann meine schwangeren Freundinnen zu malen, dann mit ihren Kindern, dann die Kinder, dann zweite Schwangerschaft, stillend usw.. Daraus haben sich die ersten Portraitaufträge entwickelt. Ich habe seit Jahren eine Internetpräsenz und gehe auf Ausstellungen und Kunstmessen. So erweitert sich nach und nach der Kreis der Interessierten.

Zufällige Begegnungen

Woher kommen sie?

Die Auftraggeber kommen auf mich zu. Sie sehen irgendwo ein Bild, finden mich in einem Interview oder in den Medien und wollen ein Porträt. Sie suchen etwas Bleibendes und nicht dieses Foto, das in der Datenbank verschwindet. Kein Mensch macht heute noch Fotoalben. Ich mache das. Viele Leute haben ihre Privatfotos nur noch in ihrem Handy. Das Bleibende, die Interpretation im Bild, wie du portraitiert wirst, das kommt glaube ich gerade wieder zurück. Ich bin mir sicher, dass diese Kunstform ein Revival erlebt. Ich merke es an der Sehnsucht nach einem Ausgleich zur Massenüberflutung der Medien.

Für meine Bilder mache ich die Fotos oft selbst. Will ich zum Beispiel eine Familie portraitieren, fahre ich hin und lerne sie über das Foto kennen. Ich fotografiere sie nicht einzeln, sondern stelle mich auf einen Stuhl und es ist, als ob ich sie würfele. Ich sage ihnen: Ihr arrangiert euch jetzt wie ihr möchtet und dann ist es am Ende eine Art Familienaufstellung.

Fünf auf einem Sofa oder verstreut auf dem Teppich

Die Leute, die meine Bilder kennen, die lassen sich darauf ein. Sie verstehen, dass ich „sie“ portraitiere. Sie im Zusammenhang mit ihrem Haustier, neben ihrer Ehefrau oder weit entfernt. Manchmal sind es ganz kuschlige Menschen, die zu fünft auf einem Sofa sitzen und manchmal verstreuen sie sich auf dem Teppich und in der Mitte liegt der Hund. Es gibt also ganz unterschiedliche Varianten und  ich greife nicht als Regisseurin ein. Ich möchte, dass sie sich zeigen.

Ist ihnen das manchmal peinlich?

Es gibt unsichere Blicke in die Kamera, es gibt den offenen Blick. Kinder gucken ganz anderes. Manche Kinder gucken runter. Das hatte ich auch schon. Dann habe ich mit den Eltern gesprochen. „Ich habe euren Jungen kennengelernt. Ich weiß nicht so viel über ihn, aber er ist in einer Phase in der er sehr verschlossen ist. Und obwohl ich es noch nie gemacht habe, werde ihn mit dem Blick nach unten malen.“ Man sieht ein bißchen Stirn, die Nase und seine Haltung. Es ist der Junge. Sowas bespreche ich mit den Leuten und dann ist es gut.

Anne Trieba - Inge und Ludwig essen Eis - 2017 - 50x40
Anne Trieba – Inge und Ludwig essen Eis – 2017 – 50×40

Ich brauche ein ganzes Gesicht…

Und Urlaubsfotos?

Wenn die Leute kommen und sagen: ich habe auf den Malediven ein tolles Foto gemacht, da springen alle in die Luft und ich möchte das haben, dann mache ich das natürlich. Es bekommt aber trotzdem meine eigene Interpretation. Dann lasse ich zum Beispiel den Sand weg und sie springen nur in die Luft. Dadurch, dass ich die Leute durch das Foto spüren kann, bin ich immer ganz bei ihnen. Es wird nie ein abgemaltes Foto, sondern immer auch ein Stück der Seele der Menschen.

Wenn Leute kommen und jemanden malen lassen möchten, den ich gar nicht kenne, dann geben sie mir eine Auswahl an Fotos. Ich sage ihnen was nicht geht und manchmal dauert es sehr lange, bis wir das richtige Foto haben. Es gibt Fotos, bei denen jemand in die Kamera lächelt. Das geht nicht. In die Sonne blinzeln geht auch nicht. Ich brauche ein ganzes Gesicht. Da muss etwas sein, was mich inspiriert. Das kann ein Kleidungsstück sein oder eine Farbe, irgendetwas. Oft holen die Leute Fotos raus, von denen sie nie gedacht haben, dass es das ist.

Seit ich das Heimatprojekt mache, ist es so, dass ich die Leute, die portraitiert werden sollen, manchmal als Kind portraitiere. Ich verknüpfe also auch eigene Serien mit den Portraits.

Anne Trieba - Die Konfirmadin 2015 50x72
Anne Trieba – Die Konfirmadin 2015 50×72

Dem Begriff heißt auf die Spur kommen

Was steckt hinter dem Heimatprojekt?

Das mache ich seit 2009. Ich möchte meinem Begriff von Heimat auf die Spur kommen und habe angefangen aus meinen privaten Alben mit Bildern zu arbeiten. Ich: innerhalb des Kontextes Familie. Ich: alleine. Dann bin ich dazu übergegangen Fotos auf dem Flohmarkt zu kaufen und auf ebay. Ich habe gemerkt, dass viele Dinge in fremden Bildern meine Heimat sind. Ein einfaches Beispiel: auf einem Foto steht eine Frau in der Küche und backt einen Kuchen. Vielleicht hat sie ein Sektglas dabei stehen. An der Situation sieht man: hier kommen gleich Gäste. Sie hat schon ihr Kleid an und die Schuhe und rechts von ihr stehen kaum beachtet Melitta-Filtertüten. Das hat ja heute kaum noch einer. Diese Melitta-Filtertüten sind für mich ganz stark Heimat.

Meine ganze Generation hat eine bestimmte Heimat. Diese teilt sich noch einmal nach Ost- und West-Deutschland. Da ist andere Musik, andere Kleidung, aber im Grunde habe ich gemerkt, dass ich nicht unbedingt nur nach meiner eigenen Heimat suche, sondern nach unser aller Heimat. Viele Leute teilen meine Heimat. Das macht zum einen weniger einsam und außerdem wird mein Projekt auch für andere Menschen interessant. Es ist losgelöst von meinem Fotoalbum und meiner Biografie. Die Leute sind angeregt nach ihren Heimat-Fotos zu suchen.

Inzwischen ist dies meine zweite Auftragsschiene. Ich bekomme viele Fotos von früher, in dem Leute ihr Heimatbild suchen, mir die Geschichte dazu erzählen  und dann lassen sie es mich malen.

Bild von Anne Trieba

Nur was wirklich wichtig ist, ist farbig

Nun ging es zunächst mehr um Portraitmalerei. Ich möchte gern wissen, ob du auch Landschaften malst, ob du eher zu Farbe tendierst oder lieber mit Bleistift skizzierst. Einfach: was dir persönlich am meisten liegt.

Komischerweise bin ich stark fokussiert auf Menschen. Ich weiß nicht woran es liegt. Seit vielen Jahren zeichne ich Menschen überall. Ich sehe sie in der Bahn, im Café und im Museum. Die Haltung eines Menschen drückt viel über sein Inneres aus. In den Zeichnungen überzeichne ich das oft, damit ich das Wesentliche herausarbeite.

Mit Farbe arbeite ich in den Zeichnungen sehr reduziert. Wer die Tageskartenfrau kennt, der weiß, dass die Frau einfach ein rotes Kleid trägt, aber ich keine Hautfarbe benutze. Die Figuren sind meistens leer. Nur was wirklich wichtig ist, mache ich in Farbe.

Verschiedene Strukturen und Rupfen

In der Malerei ist das ein wenig anders. Da interessiert es mich vor allem verschiedene Strukturen reinzubringen. Ich spanne die Leinwände selber auf und suche mir  Stoff aus, der schon von sich aus eine gewisse Struktur hat. Ich nehme Materialien, bei denen ich merke, die Farbe verschwindet ein bißchen. Wenn ich mit dem trockenen Pinsel darüber gehe, entsteht eine Spur. Ich möchte eine Fläche nicht einfach nur zumalen, sondern ich möchte mit der Fläche des Materials arbeiten.

Vor zwei Jahren bin ich dazu übergangen auf Rupfen zu malen. Das ist ein sehr grober Stoff. Baumwolle war für mich ausgereizt und ich hatte das Gefühl, ich kann nicht mehr Struktur herausbringen.  Der Rupfen hat sich angeboten, weil er unheimlich organisch ist. Da kommen die Haare raus und die Webart ist inkorrekt. Es war eine Auseinandersetzung, weil das Material sich mir gegenüber widerspenstig verhält und ich gefordert war, mit diesem Material zusammenzuarbeiten. Man kann damit nicht so korrekt und fein arbeiten. Es geht einfach nicht.  Inzwischen habe ich dennoch eine solche Sicherheit, dass auch das jetzt meist sehr gut ausgearbeitet aussieht.

Was ich faszinierend finde, ist, dass auch auf dem Rupfen die Haut eine ganz eigene Struktur bekommt.  Das sieht noch organischer aus, als es so schon ist.  Oft lasse ich viel Fläche frei. Ich übermale nicht und grundiere nicht. Das bringt zusätzliche Spannung.

Anne Trieba - Guten Morgen 2016 44x55
Anne Trieba – Guten Morgen 2016 44×55

Albrecht Dürer Katzen

Saugt Rupfen die Farbe stärker auf?

Ja. Da braucht man unheimlich viel Farbe.

Du hattest noch gefragt, ob ich Landschaften mal: Nein! Mein Fokus liegt mehr auf Personen. Landschaft ist mal der Stuhl oder der Tisch, aber auch das lasse ich oft weg. Das male ich nur, wenn es notwendig wird. Ein dicker Mensch zum Beispiel, braucht  keinen Stuhl. Der sitzt schon durch seine Sitzfläche. Weil ich diese überzeichne, dehnt er sich zur Mitte hin aus und er sitzt schon. Ein Stuhl ist überflüssig. Andere sagen: „Da fehlt der Stuhl!“. Für mich nicht und ich mache ja die Zeichnung. Ich sehe diesen Menschen.

Neuerdings male ich vermehrt Tiere, bzw. Menschen lassen sich mit ihrem Haustier portraitieren. Erst dachte ich: ich kann keine Tiere malen, denn mein großes Vorbild ist Albrecht Dürer. Dieser Hase von Albrecht Dürer, den kennt jeder und es ist faszinierend, wie er diese Stofflichkeit des Hasen dargestellt hat. Wenn man sich solche Vorbilder sucht, denkt man, dass man scheitert, aber als ich meine erste Katze gezeichnet habe, habe ich gesehen, es funktioniert. Ich möchte es sehen lernen. Seit meiner Kindheit schaue ich mir Kunstkataloge an und lerne aus ihnen. In Museen bin ich zu sehr abgelenkt von den Menschen. Der Dürer Hase ist in mir. Das habe ich gemerkt, als ich die Katze gezeichnet habe. Ich hatte Angst davor, aber ich wusste wie es geht. Ich konnte sogar beschreiben wie es geht und am Ende war es tatsächlich eine Albrecht Dürer Katze. Dann kam ein Hund, jetzt der nächste. Vielleicht sollte ich Tierarztpraxen akquirieren?

Anne Trieba - Familie P - München 2014 110x80
Anne Trieba – Familie P – München 2014 110×80

Eine Frau als Alter Ego

Du hast  ganz kurz die Tageskarten erwähnt. Kannst Du noch etwas zu diesem Projekt erzählen?

Wir sind 2006 in die Uckermark gezogen. Das war total auf dem Land. Ich habe produziert, aber ich hatte dort kein Netzwerk und man braucht eine Resonanz. Also fing ich an mit Facebook. Ich hatte diese Frau im roten Kleid schon. Die gibt es seit 1999. Ich dachte mir, ich mach jetzt was mit dieser Frau die ich habe, die mein Alter Ego ist.

Diese Frau stellt meinen Alltag dar, als Künstlerin , als Mutter von zwei Kindern, als Ehefrau. Es ist immer ein kleiner Text dazu, aber ich versuch es nicht allzu menschlich darzustellen.  Es soll nicht die Tragik des Hausfrauenlebens darstellen, sondern ich versuche eine humorvolle Seite zu zeigen. Das heißt, irgendwann fallen mir Texte ein, aber ich kann sie erst schreiben, wenn ich von der Situation weg bin und Distanz habe. Humor funktioniert nur, wenn man Distanz zu den Dingen hat, weil man dann nicht mehr davon betroffen ist. Zu den Texten in der Datenbank  fällt mir irgendwann das Bild ein. Bei den Tageskarten ist es wirklich so, dass als erstes der Text da ist. Dann illustriere ich.

Anne Trieba - Die Kuh müsste gestreichelt werden
Anne Trieba – Die Kuh müsste gestreichelt werden

Die Tageskarten-Frau lebt

Die ersten 100 Tage habe ich tatsächlich jeden Tag eine Karte gezeichnet und hatte 2010 eine Ausstellung in Berlin Mitte. Die Karten habe ich ausgedruckt und dann laminiert. Es waren keine Originale, denn es gibt sie eigentlich nicht im Original. Sie sind kein physisches Produkt. Ich habe nur die Skizzen und die Reinzeichnungen und diese scanne ich ein. Am Computer mache ich sauber und fülle mit Farbe. Fertig.

Das war die erste Präsenz der Tageskarten. Dann habe ich Postkarten gedruckt und Stoffbeutel.  Später habe ich eine Pause gemacht, als ich gemerkt habe, die Leute fahren total darauf ab und  erwarten etwas von mir. Bespaßen geht nicht.  Die Tageskarten funktionieren nur aus meinem eigenen Bedürfnis heraus. Aus dem Drängen. Wenn das nicht ist, geht es nicht.

Inzwischen habe ich 931 Tageskarten gezeichnet und sie entwickeln sich weiter. Immer wenn sich für mich persönlich etwas ändert, entwickeln sich auch die Tageskarten oder die Texte. Manchmal schreibe ich irre lange Texte, weil es  einfach notwendig ist. Jetzt neulich habe ich eine gemacht für eine Freundin, für Charis (Anne lacht. Ich bin gemeint.) Da ist die Karte mehrteilig. Es ist wie ein Comic. Vielleicht entsteht jetzt gerade etwas Neues. Ich weiß es nicht. Es ist aber auf jeden Fall so: die Tageskarten-Frau lebt!

In diesem Video kann man Anne beim Malen zusehen.

Magst du noch einen kleinen  Ausblick geben, was du für die Zukunft planst, wo deine Bilder hängen und wo man sie kaufen kann?

Meine Bilder hängen meistens in Privathaushalten. Ich gehe zwar auf Kunstmessen oder mache Ausstellungen, aber die Bilder hängen hauptsächlich in Privathäusern. Meine nächste Ausstellung ist in einer Einrichtung vom Kinderhilfswerk in München.

Ich arbeite auf vielen verschiedenen Ebenen und  bin mein eigener Herr.  Jetzt merke ich gerade: ich habe sieben Jahre allein gearbeitet und bin dabei ziemlich isoliert. Jetzt möchte ich mich in andere berufliche Bereiche hinein entwickeln. Es gibt in vielen Firmen Meetings, in denen Prozesse dargestellt werden müssen. Meist wird das über Power Point oder Flip Charts gelöst. Was mich interessiert, ist der Wunsch nach Visualisierung in den Medien und im Social Media. Die arbeiten oft mit Klebezetteln, Notes und Text, aber haben Sehnsucht  es auch einmal in ein Bild zu packen. Meetings sind in keiner Weise komisch und machen nicht froh. Ich überlege, wie ich unterschiedliche Bereich visualisieren kann. Ich kann die Menschen in einem ganz einfachen Stil darstellen, sodass sie sich wiederfinden. Das ist mein nächstes Vorhaben.

Wenn ich ausstelle, suche ich mir Orte aus, an denen sich viele Leute bewegen. Bilder auf denen Menschen sind, möchte ich dort hinbringen, wo die Leute sind. Auf der Kunstmesse sind Stellwände völlig losgelöst vom Portrait, das einen intimen Moment darstellt. Das fühlt sich für mich fremd und falsch an. So wie die Leute dort die Bilder betrachten: das ist nicht richtig. Es passt nicht zusammen.  Am besten hängt ein Portrait zuhause. Dort lebt es.

Meine Portraits sollen in jedem Raum funktionieren.

Danke für das Gespräch.

Anne Trieba - cometaparacaidista - 2017 - 86x79
Anne Trieba – cometaparacaidista – 2017 – 86×79
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Charis
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1 Kommentar zu “Anne Trieba: Die Tageskarten-Frau lebt | Interview

  1. Über dieses Feedback per Mail habe ich mich besonders gefreut:

    Danke liebe Charis, fand gerade Anne im Interview samt Portraits(bilder) und sie selbst in duftiger gelben Bluse mit Tupfen, ich sah/sehe sie mehr mit rotem Pulli…
    Tja, und das eisessende Mädchen bin ich -und das Portrait von und mit Anne mit dem Namen „ICH“ haben Anne und ich bei mir in die Küche aufgehängt…
    DANKE für das Interview (das Anne ist wie sie ist) und liebe Grüße von P.

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